Jana (geschrieben von einer Streetworkerin)

Die Person

Ein 14 Jahre altes Mädchen, anonymisierter Name Jana, war von zu Hause ausgerissen; der Stiefvater hatte sie immer wieder geschlagen, die Mutter konnte sie nicht davor schützen. Während der Streetworkarbeit im Dortmunder Norden bekam ich den ersten Kontakt zu ihr.

Janas Leben auf der Straße

Zu ihrer Vorgeschichte kann ich sagen, daß Jana sich einer Clique von Jugendlichen angeschlossen hatte, die vornehmlich in Bahnhofsnähe ihre Freizeit verbrachte. Zu dieser Zeit wohnte sie bei einem ca. 20 Jahre alten Mann, der erst arbeitslos war und später bei einer Drückerkolonne arbeitete.
Zu diesem Mann hatte sie aus ihrer Sicht eine Beziehung. Dieses Verhältnis war, unserer Meinung nach, jedoch von Anfang an ein sehr starkes Abhängigkeitsverhältnis.

Jana wollte in der Drückerkolonne ihres Freundes mitarbeiten; sie hatte sich dadurch finanzielle Eigenständigkeit erhofft. Der Zugang war aber nicht gegeben, da sie erst 14 Jahre alt war. Die Verbindung zu den Bahnhofkids und ein nicht unerheblicher Alkoholverzehr in dieser Zeit brachten sie auf die Idee, durch Prostitution ihren Lebensunterhalt zu sichern. Als ihr damaliger Freund davon erfuhr – er kam eines Nachts unerwartet von einer Arbeitstour nach Hause -, schlug er sie und warf sie aus der Wohnung. Sie hat danach mit vier weiteren Jugendlichen in einer sogenannten „Bunkerwohnung“- vom Mieter zumindestens zeitweise nicht genutzte Wohnung – gelebt. In diesem Fall gehörte die Wohnung einem jungen Mann, der inhaftiert war.

Hilfeangebote

Als ich Jana eines Nachts in einem Hauseingang sitzen sah, war sehr schnell klar, daß sie „so nicht mehr weitermachen wollte“. Im Vordergrund stand nun für mich, eine geeignete Unterkunft für Jana zu finden. Nach Möglichkeit sollte sie sich weitgehend von ihrem Umfeld lösen können. Zunächst nahm ich sie mit in unsere Beratungsstelle, die Dortmunder Mitternachtsmission.
Die Unterbringung in einer Übernachtungsstelle innerhalb Dortmunds wurde organisiert. Hier gibt es derzeit das Angebot des „Sleep In“ (Trägerschaft: VSE, Verband Sozialpädagogscher Einrichtungen); aber auch die Jugendschutzstelle kann für eine Innobhutnahme genutzt werden.

Zweitens galt es, die gesundheitliche Stabilität des Mädchens wieder herzustellen. Jana litt damals an einer chronischen Blasenentzündung, und sie hatte sich mit Krätze infiziert. Insbesondere letzteres erfordert hundertprozentige Hygienevorschriften. Jana wurde daher von uns mit neuer Kleidung, sowie mehreren Garnituren kochfester Bettwäsche ausgestattet. Die täglichen Arztbesuche wurden ebenfalls von uns abgedeckt.
Erst als die basale Versorgung abgesichert und eine tragfeste Vertrauensbasis geschaffen war, konnten wir darangehen, mit dem Dortmunder Jugendamt eine neue Zukunftsperspektive zu realisieren – eine Perspektive, die zum einen für Jana vorstellbar und zum anderen für das Jugendamt umsetzbar war.
Da Jana unmissverständlich klarmachte, dass sie niemals wieder nach Hause zurückkehren wollte, lebt sie heute in einer betreuten Wohngemeinschaft. Hier baute sie neue soziale Kontakte auf, übte eine relative Selbständigkeit ein und konnte dennoch in Krisenfällen auf eine pädagogische Unterstützung zurückgreifen.

Sie geht wieder regelmäßig zur Schule und hat, da mittlerweile die Loslösung von der früheren peer-group erfolgt ist, heute kaum mehr als die üblichen, altersbedingten Probleme eines Teenagers.

Aber die Gewalterfahrungen, die sie sowohl in ihrer Familie als auch im sogenannten Freundeskreis und während der Prostitutionstätigkeit sammelte, werden sie sicherlich noch ein Leben lang begleiten.
Das Erlernen von gewaltfreien Beziehungsmustern und er Aufbau des Selbstwertgefühls werden für Jana ein schwerer Weg sein, doch wir hoffen, dass sie die Chance, die sie jetzt bekommt, nutzen kann.

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