Sie sind hier: Presse
Zurück zu: Startseite
Allgemein: Impressum Datenschutz

Suchen nach:

29.06.2018 - Robert Targan - Coolibri

Zwischen Nähe und Distanz

Etwas unscheinbar in der Dortmunder Dudenstraße beheimatet und doch so immens wichtig: Die Beratungsstelle der Mitternachtsmission e. V. widmet sich den Lebenswegen von Prostituierten, Aussteigerinnen und Opfern von Menschenhandel. Per aufsuchender Sozialarbeit setzt sich das Team für ein selbstbestimmtes und angstfreies Leben der Klientinnen ein.

Straßenprostitution ist in Dortmund seit sieben Jahren im gesamten Stadtgebiet verboten – die Tatsache, dass sie dennoch existiert, besitzt kaum einen Neuigkeitswert. Im Sperrbezirk treffen die Streetworkerinnen der Mitternachtsmission täglich u. a. auf Beschaffungsprostituierte, Opfer von Menschenhandel und auch Kinder und Jugendliche. „Prostitution ist nach wie vor ein Tabuthema“, stellt Andrea Hitzke, Leiterin der Mitternachtsmission e. V., fest. „Trotz reger Diskussionen und gesetzlicher Neuerungen sind Prostituierte weiterhin eine stigmatisierte und diskriminierte gesellschaftliche Randgruppe.“ Aufgrund dieser Ausgrenzung braucht es also auch heute noch eine gewisse Sensibilisierungsarbeit, um eine Gleichstellung herzustellen. Bereits 2002 trat daher das Prostitutionsgesetz in Kraft – dieses sollte die rechtliche und soziale Situation der Frauen verbessern. Allein ein Gesetz kann jedoch die Gesellschaft nicht umkrempeln: eine Normalisierung konnte Andrea Hitzke nicht feststellen.

Seit 100 Jahren besteht der Verein nun in Dortmund, dessen Arbeit früher von evangelischen Malche-Schwestern absolviert wurde. Deren Auftrag lautete, Frauen vor der Prostitution zu bewahren. Heute sind es mehrsprachige Honorarkräfte und Streetworkerinnen, die mit akzeptierendem Ansatz aufsuchende Sozialarbeit leisten und sich für ein selbstbestimmtes Leben der Frauen einsetzen. In der Dortmunder Linienstraße am nördlichen Ausgang des Hauptbahnhofs gehen rund 300 Frauen in 16 Häusern der Prostitution nach. In dieser Bordellstraße gelten klare Regeln: Wer hier arbeitet muss volljährig sein und seine Einkünfte versteuern. Solcherlei Auflagen bringen automatisch neue Probleme mit sich, weiß Hanna Biskoping, Sozialarbeiterin bei der Mitternachtsmission e. V.: „Viele Gespräche drehen sich dort um Probleme mit der Krankenversicherung, Amtsgänge und das Prostituiertenschutzgesetz.“ Dieses trat im Juli 2017 in Kraft und sieht u. a. eine Anmeldebescheinigung für Prostituierte vor. Die Ziele: mehr Schutz, weniger Kriminalität. Die Realität: Unsicherheiten, Ängste. Zu groß die Sorge, geoutet zu werden – vielen Frauen ist schlichtweg nicht klar, wer durch diese offizielle Bescheinigung von ihrer Tätigkeit erfährt. Tatsächlich ist umgangssprachlich von einem „Hurenpass“ die Rede, Klarname und Lichtbild inklusive. „Geraten diese Daten in die falschen Hände, entsteht ein riesiges Erpressungspotential“, so Andrea Hitzke. „Prostituierte führen zudem fast immer ein Doppelleben und haben Eltern oder Kinder, die nichts von dieser anderen Welt wissen.“

Zwei- bis dreimal pro Tag sind die Streetworkerinnen im Milieu unterwegs, Hanna Biskoping gewährt einen Einblick: „Wir sind dort sehr bekannt, bieten unsere Hilfe an und verteilen kostenfrei Kondome. Unser Angebot ist freiwillig, wir sind präsent und jederzeit ansprechbar.“ Der Kontakt gestaltet sich anonym, sodass Name und Herkunft zunächst unwichtig sind. Erst bei Amtsgängen geben die Frauen etwa ihre Identität preis.
Bleibt die Frage nach der Verarbeitung der vielen Begegnungen, die nicht selten eine schicksalhafte Biographie nachzeichnen: „Neben der Möglichkeit der Supervision existiert eine kollegiale Fallberatung hier im Team“, verdeutlicht Hanna Biskoping, die keinen Hehl daraus macht, dass man dennoch stets das ein oder andere Erlebnis mit nach Hause nimmt. Motivation sind die vielen Erfolgsgeschichten, von denen alle Mitarbeiterinnen der Dortmunder Mitternachtsmission berichten können – das reicht vom Zulassen eines Kontakts über die Bewältigung der Drogenabhängigkeit bis hin zum geglückten Ausstieg samt Familienplanung. Es sind kleine Schritte, die aber zu großen Erfolgen führen können.

mitternachtsmission.de

Dortmunder Mitternachtsmission e. V.
Dudenstr. 2-4
44137 Dortmund

Stadtsparkasse Dortmund
Konto : 151 003 168
BLZ : 440 501 99
IBAN : DE41 4405 0199 0151 0031 68
BIC : DORTDE33XXX

Neben finanzieller Unterstützung freut sich die Mitternachtsmission auch über Sachspenden wie Kleidung, Hygieneartikel und Lebensmittel.


Zum Originalartikel

Gehe zu: 01.07.2018 - MissionART 2018 29.06.2018 - Nordstadtblogger